Elektrotherapie und Reizstrom: Sinnvoll oder überholt?

Elektrotherapie ist seit Jahrzehnten ein fester Bestandteil physiotherapeutischer Behandlungsansätze. Sie soll Schmerzen lindern, den Muskelaufbau stimulieren, Verspannungen lösen und die Heilung fördern.

Doch wie wirksam ist sie wirklich? Und welche Verfahren sind heute noch zeitgemäß? Mit diesen und weiteren Aspekten befassen wir uns in unserem neuen Blogbeitrag.

Grundlagen der Elektrotherapie: Stromformen und Wirkprinzipien

In der Praxis kommen verschiedene Stromformen zum Einsatz, darunter:

•       TENS

•       EMS

•       Reizstromtherapie

TENS steht für die transkutane elektrische Nervenstimulation. Diese Form der Elektrotherapie soll eine Schmerzlinderung durch das gezielte Reizen sensorischer Nerven herbeiführen.

Bei der elektrischen Muskelstimulation – kurz EMS – steht hingegen der Muskelaufbau durch die Elektrostimulation im Fokus.

Die Reizstromtherapie erzeugt niederfrequente Impulse zur Gewebestimulation.

Obwohl es verschiedene Stromformen gibt, ist das Prinzip bei jeder Variante der Elektrotherapie gleich: Die elektrischen Impulse sollen körpereigene Prozesse aktivieren. Sie sollen eine verbesserte Durchblutung fördern und so die Regeneration unterstützen oder Schmerzsignale blockieren.

Typische Anwendungsgebiete

       Akute und chronische Schmerzzustände

•       Muskelschwäche, z. B. nach Operationen oder Verletzungen

•       Rehabilitation neurologischer Erkrankungen (z. B. Schlaganfall)

Behandlungsablauf

Bei der Elektrotherapie spüren Patienten und Patientinnen meist ein Kribbeln oder leichtes Muskelzucken. Die Dauer der Behandlung liegt je nach Indikation zwischen zehn und dreißig Minuten. Die Therapie ist in der Regel schmerzfrei und wird allgemein gut vertragen.

Gibt es Nebenwirkungen oder Kontraindikationen?

Bei einer sachgemäßen Anwendung sind Nebenwirkungen bei der Elektrotherapie so gut wie ausgeschlossen. Dennoch sollten einige Dinge beachtet werden:

•       Hautreizungen durch eine Kontaktallergie auf das Elektrodenmaterial

•       Muskelkater oder Muskelkrämpfe aufgrund starker Impulse für die Muskulatur

•       Eine Kontraindikation ist ein Herzschrittmacher wegen Herzrhythmusstörungen.

Wissenschaftliche Evidenz zum Nutzen der Elektrotherapie: Was sagt die Forschung?

Die Studienlage ist in diesem Feld durchwachsen und liefert kein eindeutiges Ergebnis und muss auch nach Stromform differenziert werden:

TENS

Es gibt Hinweise auf kurzfristige Schmerzlinderung – insbesondere bei Rückenschmerzen oder Arthrose (zum Beispiel im Knie). Allerdings zeigen Metaanalysen keine konsistente Wirkung über den Placeboeffekt hinaus bei chronischen Schmerzen.

EMS

Bei schwerer Muskelschwäche – z. B. nach Immobilisation – kann EMS die Muskelmasse und Kraft verbessern. Für gut trainierte oder gesunde Menschen ist der Effekt jedoch gering.

Reizstrom bei neurologischen Erkrankungen

Hier zeigen sich teils positive Effekte, z. B. bei der Reduktion von Spastiken nach Schlaganfällen. Aber auch hier ist die Evidenz nicht eindeutig.

Cochrane-Reviews

Diese wissenschaftlich fundierten Zusammenfassungen zeigen: Viele Studien sind methodisch schwach und wurden teils mit kleinen Stichproben und ohne Kontrollgruppen durchgeführt. Eine klare Empfehlung für oder gegen die Elektrotherapie lässt sich wissenschaftlich daher oft nicht ableiten.

Unser Fazit zur Elektrotherapie

Egal ob TENS, EMS oder Reizstromtherapie – alle Behandlungen sind allein betrachtet nicht ausreichend, aber sie können in bestimmten Fällen eine sinnvolle Ergänzung sein. Entscheidend ist der gezielte, evidenzbasierte Einsatz. In der modernen Physiotherapie sollte die Elektrotherapie deswegen nicht als einzige Maßnahme zur Anwendung kommen. Aus diesem Grund ist unser Ansatz immer eine aktive Therapie und wird bei Bedarf durch Elektrotherapie ergänzt.